Sympathisch. Sprechen mit Komma.

Eine Szene

(Der Professor kommt zur ersten Veranstaltung des ersten Semesters mit leichtem Schritt rein und setzt sich mit überschlagenen Beinen auf das Pult. Seine etwas in die Tage gekommen Jeans sind gut sichtbar. Er lächelt und schaut kurz die Seminarteilnehmerinnen und Teilnehmer an. Man hat den Eindruck, dass er sich jeder und jedem einzelnen zuwendet.)

Vor 22 Jahren saß ich so wie Sie in meinem ersten Seminar und war gespannt auf das, was kommen würde. Ich hatte ein Jahr mit work and travel in Australien verbracht und jetzt begann meine Zukunft. Ich hatte mich – wie Sie – für ein exotisches Fach eingeschrieben, eines, das viele Menschen wie z.B. meine Eltern für brotlose Kunst hielten. In der Kunstgeschichte sind damals wie heute viele interessierte neugierige Menschen versammelt. Karriere war für uns nicht der erste Gedanke.

Ich begrüße Sie herzlich und freue mich darauf, mit ihnen zu arbeiten. Mein Name ist Fritz Ahringsmann und wir beschäftigen uns in diesem Seminar der Systematik in der  Kunstgeschichte.

 

Haben Sie Menschen und Szenen dieser Art schon einmal erlebt? Ich vermute ja.

Wie wirkt das auf sie? Wie fühlen Sie sich? Würden Sie bei diesem Dozenten ein Seminar oder eine Vorlesung belegen? Würden Sie etwas lernen? Oder anders gefragt, würden Sie ihm ein großes Projekt mit hoher Verantwortung für Menschen, Finanzen und Organisation anvertrauen? Finden Sie ihn nett und sympathisch? Halten Sie ihn für durchsetzungsstark?

 

Lassen wir das Ganze noch einmal vor dem inneren Ohr und dem inneren Auge Revue passieren und analysieren die Szene.

 

Körpersprache

Der Dozent geht leichten Schrittes nach vorne und setzt sich fast kumpelhaft aufs Pult, nicht dahinter. Er bleibt auch nicht stehen. Offensichtlich ist es ihm richtig, keine Distanz aufzubauen und betont mit der lockeren Sitzhaltung die Nähe, fast als wollte er sagen, ich bin einer von euch. Seine Kleidung unterstreicht diese innere Haltung.

Er lächelt, zeigt, dass er freundlich ist und dass man unproblematisch mit ihm wird zusammenarbeiten können. Er wird sein Wissen auf Augenhöhe vermitteln. Seine Gestik ist sparsam, folgt den leicht und relativ schnell vorgetragenen Inhalten.

 

Sprechen

Sein Sprechen ist locker und normal, entspricht ziemlich der Alltagssprache. Die Sätze sind durchaus länger, mit Einschüben und Relativsätzen, mit mehreren Kommata. Er spricht inhaltlich von seinen Erfahrungen, seinen wichtigen Schritten im Leben und der Wahl seines Studienfaches.

Die normale Sprache und das Persönliche schaffen Gemeinsamkeit. Das Gefühl, dass bei den Zuhörenden ausgelöst wird, dürfte zumeist ein “der ist einer von uns”.

 

Sprechmelodie

Seine Sprechmelodie ist weich, viele Sätze enden im mittleren Bereich der Stimme. Trotz seines relativ hohen Sprechtempos kann man gut folgen. Er spricht strukturiert und man weiß, was gemeint ist.

 

Die Wirkung

Vom allerersten Moment an richtet der Professor seine Kommunikation offensichtlich darauf aus, mit den Zuhörenden auf einer Stufe zu stehen. Er ist mehr oder weniger einer von ihnen. Dadurch, so hat man den Eindruck, vermeidet er Barrieren und Hierarchiegerangel, die Menschen folgen ihm gerne. Vermutlich gehört er zu den beliebten Dozenten.

 

 

Ihr verbindlicher Auftritt auf Augenhöhe

Wenn Sie diese Fähigkeit zu einem verbindlichen Auftritt auf Augenhöhe weiter ausbauen wollen, ist es entscheidend, eine gute Verbindung zu ihren Zuhörerinnen und Zuhörer an zu ermöglichen. Und in punkto Nähe können Sie viel gestalten, wenn sie ein paar einfachen Parametern folgen.

 

  1. 1. Körpersprache – eine Ebene
    Bewegen Sie sich “normal”, wie im Alltag. Denken Sie nicht an die Rolle, Professor, Lehrer, Vorgesetzte, Chef. Denken Sie an das Team.
    Auch Ihre Gesten unterstreichen diesen Gedanken, sie sind relativ sparsam und verbindend.
  1. 2. Blick – Brücke zum Publikum
    Sehr wichtig ist auch Ihr Blickkontakt. Die dahinter stehende Einstellung ist lebendiges Interesse an den Menschen. Sie wollen viel von ihnen erfahren. Und so schauen Sie sie mit Neugier an.
  1. 3. Sprechen – absolut nachvollziehbar
    Ihr Sprechen hält sich nicht lange mit Präliminarien auf, Sie starten schnell in die inhaltliche Auseinandersetzung. In Dialog und Gruppengespräch sind Sie interessiert und zuvorkommend, lassen den anderen ausreden, unterbrechen fast nie. Das erwarten Sie auch von den anderen. So kann ein konstruktives kollegiales Gespräch entstehen.
  1. 4. Sprechmelodie – weich
    Ihre Sprechmelodie ist weich, sie orientiert sich an den Kommata, d.h., sie bleibt häufig oben. Sie setzen selten Punkte. So geschieht es auch, dass Sie längere durchaus komplexe Sätze mit Einschüben, Relativsätzen usw. bilden, um Ihre Gedanken differenziert darzustellen.

 

Sympathisches Gespräch auf Augenhöhe 

Trainieren Sie diese Punkte. Dann werden sie mühelos sympathische Gespräche auf Augenhöhe steuern können.

 

 

Nur die halbe Wahrheit

Jedoch brauchen Sie mitunter auch eine andere Kommunikationsform. Um z.B. Ordnung herzustellen oder sich im Getümmel zu behaupten, brauchen Sie den starken Auftritt. Über den habe ich im letzten Text gesprochen.