Kritische Fragen sind ein Ärgernis, ein angstbesetzter Moment für jeden Vortragenden. Sie bringen uns an den Rand der Beherrschung, machen uns nervös und unkonzentriert. Doch man kann etwas tun.
Der Vortrag ist gut vorbereitet und läuft wie am Schnürchen. Ich fühle mich beflügelt, bin im Flow. Bis zur Zwischenfrage, einer kritischen. Sie wirft mich total aus dem Konzept. Will die Person mich angreifen? Will sie mich öffentlich bloßstellen? Will sie tatsächlich doch nur etwas wissen? – Fragen über Fragen. Die Gedanken beißen sich fest, die Emotionen kochen hoch. Je nach Situation – blankes Entsetzen. Der Flow ist definitiv hin.
Tiefpunkt der Rednerkarriere
Ein Einzelfall? Wohl nicht. Die meisten von uns verfügen über solche Erfahrungen an den Tief(st)punkten ihrer Rednerkarriere. Mehr oder weniger haben wir uns mit Situationen dieser Art arrangiert und kommen auch irgendwie durch. Aber es bleibt eine Unsicherheit. Und diese Angst schwächt uns. Wir sind nicht so brillant wie wir sein könnten.
Gerade aber Souveränität und Gelassenheit machen eine erfolgreiche Rednerin / einen erfolgreichen Redner aus. Sie / er steht vorne ruhig und gesammelt, hat lebendigen Kontakt zum Publikum, schafft eine gute Atmosphäre und bringt, wenn es passt, das Publikum zum Schmunzeln oder gar zum Lachen. In einigen wenigen Fällen ist das Naturbegabung. In den allermeisten Fällen ist es das Ergebnis von langjähriger Arbeit an sich selbst und von viel Praxis.
Die Voraussetzungen bringt jeder mit. Jeder kann andere Menschen von den Dingen begeistern, für die er brennt, sei es das Hobby, eine berufliche Vision oder eine Glaubensfrage. Warum können wir es nicht im beruflichen Umfeld, warum knicken wir innerlich ein, wenn wir vor eine Gruppe von Menschen oder gar einen Saal treten? Und warum haben wir so furchtbar Angst vor (kritischen) Fragen?
Wahrnehmung beruhigt
Es gibt Auswege. Als ersten Schritt verbessere deine Wahrnehmung. Indem du deine Sinne, vorrangig das Sehen und das Hören, schulst, bekommst du einen besseren Kontakt zu dir selber. Wenn ich zum Beispiel das Sehen modifiziere, indem ich nicht ein Objekt aktiv anstarre, sondern die von ihm ausgehenden Bilder zu mir strömen lasse und innerlich aufnehme, was man als einen passiven Vorgang empfinden kann, verändert sich meine Weltsicht. Ich bin nun in der Lage, wahrzunehmen, was von den Menschen, mit denen ich spreche, ausgeht. Ich bin daran interessiert wahrzunehmen, ob sie wach oder verschlafen aussehen, ob sie blitzende oder trübe Augen haben oder ob sie eine vitale oder matte Körperspannung haben. Auch schaue ich in mich hinein und registriere, wie all dies auf mich wirkt und welche Gefühle es in mir auslöst.
Und schon hat sich etwas verändert. Ich schaue nicht mehr mit vor Furcht geweitetem Blick auf die Katzen im Saal, die mich kleine Maus am Rednerpult fressen wollen, sondern ich freue mich darüber, so viele verschiedene Menschen mit so vielen verschiedenen Ausstrahlungen anschauen zu dürfen. Wenn dir dieses gelingt, und das kann jeder Mensch erreichen, wirst du eine völlig andere Figur da vorne machen. Und es wird dir, möglicherweise im Gegensatz zu bisherigen Erfahrungen, einen Riesenspaß machen, dein Anliegen den Menschen zu vermitteln.
Hellwache Antennen ernst nehmen
Unsere Wahrnehmungsfähigkeit ist aber noch viel feiner. Jeder kennt das Gefühl, eine Person zu treffen und sicher zu wissen, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Nonverbale Signale haben eine eindeutige Information übermittelt. Oder du betrittst einen Raum und spürst sofort, ob hier eine gelöste lockere Atmosphäre herrscht oder Stress.
Wir haben diese Antennen. Und wir dürfen sie benutzen. Wenn du deine Wahrnehmung für die atmosphärischen Schwingungen verfeinert hast, betrittst du einen Besprechungsraum oder ein Rednerpodium mit hellwachen Sinnen. Und weißt sofort Bescheid. So kannst du souverän und gelassen auf die jeweilige Stimmung reagieren. Damit behältst du die Fäden in die Hand. Ansonsten würdest du vielleicht mit deinem Statement oder deiner Rede beginnen und plötzlich merken, dass dir die Führung entgleitet. Je genauer du also deine Sinne geschult hast und deine feinen Wahrnehmungen ernst nimmst, umso genauer agierst und kommunizierst du.
Graue Theorie beflügelt
Graue Theorie schafft Souveränität. Es ist zutiefst erhellend, sich mit Kommunikationstheorien zu beschäftigen, wie zum Beispiel den bekannten gedanklichen Werkzeugen „Vier Seiten einer Nachricht“ oder „Inneres Team“ des berühmten Hamburger Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun. Und du solltest sofort in der Praxis trainieren. Erforsche dein Sprechen und Hören von Nachrichten unter diesen theoretischen Gesichtspunkten. Die Gesprächsführung wird souveräner, Missverständnisse werden minimiert und der gesamte Kommunikationsprozess gestaltet sich eleganter.
Mit Distanz zugewandter
Souveräner wird man auch, wenn es einem gelingt, mit einem größeren Abstand auf eine Situation zu blicken und alle relevanten Aspekte wahrzunehmen. Wenn man mit den Augen des darüber schwebenden Adlers schaut, sieht man nicht nur die eigene Position, sondern auch die des Gegenübers. Dadurch entwickeln wir Verständnis für beide Seiten. Wir bauen keine Mauern um uns auf und sind offener für die Beweggründe des Gegenübers. Wie so häufig ist es ein Paradox: mit Distanz können wir zugewandter sein. Es stellt sich eine innere Beruhigung und Klärung ein.
Echt sein statt mit einem Phantom zu reden
Die innere Ordnung beeinflußt zusätzlich auch den Prozess des Verarbeitens einer Nachricht. Wenn ich über eine Person ein positives oder negatives Urteil habe, kann diese Personen sagen was sie will, ich werde es positiv oder negativ deuten. Insofern kommuniziere ich nicht mit der realen Person, sondern mit einem Phantom. Damit aufzuräumen ist ein wichtiger Schritt für eine offene und direkte Kommunikation. Und entscheidend für die Arbeit an mir selber und der Selbstentwicklung mit dem Ziel, ein authentischer Gesprächspartner zu sein, ohne Voreingenommenheit.
Egoismus nützt
Selbstentwicklung und eine wohltuenden Distanz zur kommunikativen Situation sind also zwei wesentlichen Elemente, die im ersten Moment nichts mit meinem Gesprächspartner zu tun zu haben scheinen. Und vielleicht wie eine Aufforderung zum Egoismus klingen. Jedoch – eine Person, die in sich ruht und den Kommunikationsprozess überblickt, wird die Kommunikationskunst souverän und zum Nutzen und Wohle aller Beteiligter ausüben. Und kritische Fragen nicht fürchten, sondern als Bereicherung erleben. Ja, vielleicht sogar als Kompliment auffassen. Denn man traut ihr offensichtlich die Beantwortung oder den Umgang damit zu.
Chance für die Praxis
Zum Schluss gibts noch einen Tipp aus der großen Trickkiste zur Einwandbehandlung und der Steigerung der Selbstsicherheit. Trainiere die 5-10 wichtigsten Statements zu deiner Vision oder Botschaft und formuliere sie so, dass sie die Menschen erreichen. Zugleich erstelle eine Liste der möglichen Fragen, auch der fiesen und provozierenden. Jetzt brauchst du nur noch eines deiner Statements für die Beantwortung der jeweiligen Frage zu benutzten. Und schon kommst nicht mehr durch eine spontane Reaktion in Bedrängnis. Sondern verkündest jedes Mal deine eigene Sache. Ruhig und souverän.