Wenn Frau Kleinmeyer hereinkommt, ist alle Aufmerksamkeit bei ihr. Sie füllt den Raum mit ihrer Präsenz und behält – und das ist sehr beeindruckend – diese Präsenz auch in brenzligen Situationen bei. Wie macht Sie das? Sie hat ein beeindruckendes Charisma, keine Spur von Nervosität oder Lampenfieber sind erlebbar. Hat sie einen Trick?
Was Frau Kleinmeyer kann, können wir alle. Davon bin ich überzeugt. Wir wissen es nur (noch) nicht. Schauen Sie sich Kinder an. Die haben doch kein Problem damit, spielerisch eine Show zu machen und vorne zu stehen. Warum können wir es nicht? Haben wir es einmal gekonnt? Wenn ja, wäre es nur einen Wiederentdecken, eine Freilegung verschütteter Fertigkeiten.
Und das ist es tatsächlich. Frau Kleinmeyer erzählt:
Früher hatte ich solche Angst, öffentlich zu reden, es war für mich das Schlimmste. Ich dachte, zu sterben wäre nicht so schlimm wie vorne reden zu müssen. Aber ich musste es, von Berufs wegen. Bei einem Seminar habe ich dann gelernt, wie ich mein eigenen Raum erschaffen kann und darin meine eigene Sicherheit finden. Erstaunlicherweise ging es dabei überhaupt nicht um mein Lampenfieber, um meine Angst da vorne, sondern um etwas ganz anderes. Nämlich um meine Wahrnehmung.
Zuerst ging es um das Hören. Wir übten, auf das Echo unserer Schuhe und unserer Stimme zu hören. Damit verankerten wir uns im Raum, nahmen ihn mit einem unserer wichtigsten Sinne sehr plastisch wahr. Beim Reden war die Aufgabe dann, das Echo unserer Stimme von der Wand hinter uns zu hören.
Als Zweites veränderten wir unseren Blick. Wir schauen nicht mehr mit vor Angst geweiteten Augen auf die vielen Menschen im Saal, die uns vielleicht Böses wollen, sondern nahmen sehr interessiert wahr, wie sympathisch die meisten von ihnen sind. Wir übten in der Seminargruppe, uns alle Details einzuprägen. Wir mussten bei geschlossenen Augen folgende Fragen beantworten: wie viele Brillenträger sind im Raum? Welche Haarfarbe haben die anwesenden Damen? Welche Schuhe tragen die Herren? Wie viel Jeansträgerinnen und -träger sind im Raum? Das schärfte unsere optische Wahrnehmung enorm. Wir waren plötzlich interessiert daran, von den Menschen etwas aufzunehmen, sie zu erfassen in ihrem gesamten Wesen. Die Aufgabe beim Reden war dann, beim Aufbau des Blickkontaktes vor der Begrüßung das eigene Gefühl zu den anwesenden Personen (bzw. bei einer großen Gruppe zu den 4-5 Personen, die man mit Interesse ansieht) zu befragen. Wie sympathisch sind Sie? Würde man mit einer oder einem von ihnen am Abend einen Wein trinken wollen? So entstand ein intensiver Kontakt zum Publikum schon vor dem ersten Wort. Und vor allem entstand ein eins-zu-eins-Kontakt, wie man ihn in jeder privaten Konversation gewohnt ist und wie er einem vertraut ist.
Die dritte Aufgabe war die erstaunlichste. Wir sollten feststellen, wie es im Raum riecht. Welcher Geruch ging von unserer Kleidung aus, welcher von unserem Portmonee. Die Wirkung war deutlich erlebbar. Wir fühlten uns zentrierter und gesammelter, in uns ruhender. Die Aufgabe beim öffentlichen Reden war dann, diese Zentrierung, oder wie es Seminar auch genannt wurde, diese senkrechte Achse, durch das intensive Erforschen des Geruches vor dem Auftritt zu installieren.
Im Kreis stehend fassten wir die Arbeit zusammen. Den hinteren Raum nahmen wir über das Echo der Stimme von der Wand hinter uns auf, den vorderen Raum über das interessierte Wahrnehmen der anwesenden Menschen vor uns und die senkrechte Achse unserer Zentrierung über die Erforschung des Geruchs im Raum. Das Ergebnis war frappierend. Ein ganzer Kreis voll höchst konzentrierter, gesammelter und in sich ruhende Menschen! Kompetenz pur.
Und es ging erstaunlich schnell! Die ganze Übung hatte nur 20 Minuten gedauert. Es war offensichtlich ein Wiederentdecken einer verloren geglaubten Fähigkeit, sonst hätte es nicht so schnell gehen und uns so vertraut sein können.
Bei meinem nächsten Meeting probierte ich es aus. Und es funktionierte!
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