Wie ich lebe – Subjekt oder Objekt?

Würde – ein großes Wort! Lebst du würdevoll? Lebe ich in Würde? Wie stelle ich das fest? Zeigt sie sich in der Beziehung zu meinen Mitmenschen? – Hier wird es spannend.

Als Schüler waren wir Objekte der ordnenden und erzieherischen Bemühungen des Schulsystems und insbesondere unserer Lehrer. Uns wurde etwas beigebracht, Inhalte und Werte vermittelt. Häufig prägten noch der alte Geist „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ die Handlungsweise unserer Pädagogen. Nur die besten unter ihnen waren daran interessiert, uns dazu anzuregen, uns selbst in die Hand zu nehmen, also vom nur-für-die-Prüfung-lernen hinzuführen zu selbstbestimmter Organisation unseres Lebens, zur eigenständigen Aneignung von neuen Kenntnissen und Fertigkeiten, unsere intellektuellen und charakterlichen Persönlichkeiten weiterzuentwickeln und aufgrund von fundierter Selbstreflexion tragfähige Entscheidungen (für unsere Zukunft) zu treffen. In der Lehre und auch im Studium war es dann nicht viel besser. Andere realisierten durch uns ihre Absichten und wir haben es – zumeist – geschehen lassen. Ja natürlich, es war auch viel Gutes dabei, denn wir bekamen ja auch die Fähigkeiten vermittelt, die unser berufliches Leben ermöglicht haben. Zugleich bekamen wir aber das dahinterstehende Menschenbild vermittelt: wir waren Objekte.

Ist es heute anders? Können wir den anderen Menschen wirklich sehen? Oder ist es die vordringliche Aufgabe unserer Kinder, Schüler, Lehrlinge, Studenten, Beziehungs- und Ehepartnern oder Mitmenschen das zu tun, was wir als richtig erkannt zu haben glauben? Sollen sie unsere gesellschaftlichen und menschlichen Werte übernehmen? Sind wir wirklich in der Lage, die würdevolle Begegnung, die wir für uns selbst einfordern, unserem Gegenüber (wäre nicht der Begriff Gesprächspartner besser?) angedeihen zu lassen? Agieren wir wirklich als selbstverantwortlich handelnde Subjekte, die autonomen für sich verantwortlichen Subjekten auf Augenhöhe begegnen? Behandele ich einen anderen Autofahrer, den ich wegen einer kleinen Nachlässigkeit anhupe, würdevoll?

Ich glaube, wir brauchen eine viel feinere Wahrnehmung von Würde in unserem Alltag. Und beginnt diese nicht bei der Beobachtung unseres eigenen Verhaltens? Viel Spaß bei der Erforschung Ihrer Würde!

 

 

 

Wer diese Gedanken vertiefen will:

Hüther, Gerald: Lasst uns in Würde leben. Stern 26.03.2018

Grünewald, Lars: Grundfähigkeiten der sozialen Selbstverwirklichung. Erziehungskunst Mai 2019