Perfekt sein? – Kommunikationskunst für den eigenen Weg

Die Nachbarn

Was sollen die Nachbarn denken? Diese Frage, vielen von uns seit der Kindheit bestens vertraut, bestimmt auch vielfach unser Erwachsenenleben, insbesondere, wenn es darum geht, öffentlich aufzutreten oder zu reden. Wir unterliegen einem fast zwanghaften Drang zur Optimierung in unserer Wirkung nach außen. Wir wenden unendlich viel Energie auf, um die Rolle, von der wir glauben, dass die anderen sie von uns erwarten, perfekt auszufüllen. Es scheint der Glaube vorzuherrschen, dass ich nur dann beruflich und privat erfolgreich sein kann, wenn ich eine perfekte Rolle spiele. Dass ich nur dann gut führen kann, wenn ich den Erwartungen, die an die Rolle einer Führungspersonen gestellt werden, perfekt entspreche. Dass ich nur dann ein guter Ehepartner sein kann, wenn ich die Erwartungen zu 100 % erfülle. Wir glauben, dass unser Leben davon abhängt, dass wir den vermeintlichen Erwartungen entsprechen.

Masken runter

Dabei machen viele Menschen die Erfahrung, dass diese ausschließliche Außenorientierung uns von uns selbst entfernt, von unseren Werten, von unserem persönlichen Kern. In der Kommunikation ist dieses besonders verhängnisvoll. Denn häufig werden diese Rollen, die wir einnehmen, von den anderen Menschen gern bestätigt, denn sie wissen, woran sie bei uns sind, und das beruhigt. Der Alleinunterhalter, die superfreundliche immer Lächelnde, der Macher, die einfühlsam Zuhörende, der Charmeur oder die eiskalte Führungskraft, wir wissen, woran wir sind. Aber sehen wir den Menschen hinter dieser Maske?

Keine Rollenspielchen

Vielen Menschen genügt es nicht mehr, die perfekten Rollenspieler zu erleben, vor allem aber, sich in diese Rollen gedrängt zu fühlen. Sie sind es leid, ihren Platz in der Welt nur über solche äußeren Faktoren bestimmt zu sehen.

Fragen wir uns einmal selbst, in welcher Gesellschaft wir uns wohl fühlen, mit welchen Menschen wir gern zusammenarbeiten, wem wir gern Führung anvertrauen. Wir haben doch sehr feine Antennen und merken schnell, wenn uns jemand etwas vorspielt, wenn sie oder er nicht authentisch ist. Unser Unterbewusstsein registriert sehr genau, ob Körpersprache, emotionaler Ausdruck der Stimme und sachlicher Inhalt des gesagten kongruent sind oder eben nicht. Dann werden wir sofort vorsichtig, halten uns zurück.

Diese Gedanken auf uns selbst zu übertragen bedeutet, dass wir uns gar nicht zu bemühen brauchen, die Show zu machen, denn die Menschen durchschauen das ja doch, genau wie wir bei Ihnen. Vielmehr könnten wir versuchen, uns selbst zu erforschen.

Spirale aufwärts

Und da ist die Kommunikationskunst ein wunderbarer Weg. Wir erforschen, was im Wege steht, wenn unser Gesprächspartner oder unser Publikum unsere Kompetenz nicht zu 100 % wahrnimmt (der Unterschied zwischen „meine Kompetenz wird sicht- und erlebbar“ oder „ich stelle Kompetenz dar“ ist in diesem Zusammenhang von allergrößter Bedeutung). Wenn ich zum Beispiel mit Schritten, deren Echo ich im Raum wahrnehme, ans Rednerpult schreite, habe ich allein durch die akustische Wahrnehmung eine andere Körperspannung. Diese andere Energie nehmen die Zuschauer sofort wahr. Wenn ich bei den entscheidenden Sätzen meiner Rede den Blickkontakt zu einzelnen Personen bis zum Ende der Aussage durchhalte, merken die Menschen, dass ich hinter meinen Aussagen stehe. Wenn ich die entscheidenden Worte mit Gesten unterstreiche, bewirkt das, dass Inhalt, Körpersprache und folglich auch die Artikulation und der Stimmklang übereinstimmend schwingen.

Doppelwirkung

Dabei ist es hochinteressant, dass zwei Dinge passieren. Zum einen nimmt mich das Publikum kongruent wahr, da alle Signale übereinstimmen. Zum anderen wirkt diese Klarheit auf mich selbst zurück, ich fühle mich geordneter und in mir ruhend. Und dadurch werden wieder alle von mir ausgehenden Signale deutlicher und klarer, was wieder den Kommunikationsprozess befördert. Eine aufwärts führende Spirale.